Verfolgt man die Debatten der letzten Wochen zum Thema „Kauf der ehemaligen Kasernenflächen“ so kann man zu dem Schluss kommen, dass demokratische Grundrechte wohl nur derjenige besitzt, der diesem Kauf zustimmt.
Mit einem Kommentar ihres Fraktionsvorsitzenden und einer Plakataktion wirbt die Homberger CDU dafür, das Bürgerbegehren gegen den Ankauf der ehemaligen Kasernenflächen nicht zu unterstützen.
In seinem Kommentar führt der CDU Fraktionsvorsitzende Kroeschell aus, dass in Homberg politisches Handeln von Bedenkenträgern ausgebremst und Chancen für eine positive Zukunftsentwicklung verspielt würden, indem nach demokratischen Regeln zustande gekommene Beschlüsse in Frage gestellt und mit allen Mitteln ausgehebelt werden sollten.
Nach Auffassung der FWG sind bei der Beschlussfassung aber wesentliche demokratische Regeln nicht beachtet worden:
1) Terminierung der letzten Sitzung
Der Sitzungstermin wurde um zwei Wochen vorverlegt. Offenkundig bestand darüber eine Absprache zwischen CDU und SPD. Zumindest die Fraktionen von FWG und Bündnis 90 / Die Grünen wurden über diese Terminverlegung nicht vorab informiert.
Zur Sitzungsvorbereitung verblieben weniger als 14 Tage. Die schriftliche Einladung zur Stadtverordnetenversammlung (Tagesordnung mit Erläuterungen) erfolgte erst acht Tage vor der Sitzung. Notwendige Informationen wurden zum Teil als „Tischvorlage“ erst zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt.
2) Widerspruch gegen die Tagesordnung
Die Fraktionen von FWG und Bündnis 90 / Die Grünen verständigten sich kurzfristig darauf, gegen die Tagesordnung der Stadtverordnetensitzung formell Widerspruch zu erheben. Beide waren sich darüber einig, dass in der zur Verfügung stehenden Zeit die vorgelegten „neuen“ Fakten nicht prüfbar seien. Der gemeinsame Antrag wurde in der Sitzung begründet und anschließend ohne weitere Diskussion im Wege der Machtdemonstration mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt.
3) Schnelle Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung
Mit den Stimmen der CDU (ein Mandatsträger enthielt sich der Stimme) und der SPD wurden alle Beschlüsse zum Thema „Kauf des ehemaligen Kasernengeländes“ zügig gefasst. Von FDP, Grünen und FWG vorgetragene Argumente, dass keine Zeitnot bestehe und dass der Kauf des Geländes wegen möglicher Altlasten und der sehr angespannten finanziellen Situation der Stadt erhebliche Risiken habe, wurden von der neuen „großen Koalition“ noch nicht einmal kommentiert. Vermutlich musste schnell abgestimmt werden, weil sachliche Argumente fehlten.
4) Interessenkonflikt von Stadtverordneten?
An allen Abstimmungen zum Thema hat auch der Homberger Bauunternehmer und CDU-Stadtverordnete Fröde teilgenommen. Zudem zeichnete er sich innerhalb der Debatte durch einen Zwischenruf aus. Das Bauunternehmen, an dem er zumindest als Gesellschafter beteiligt sein soll, hat ein verbindliches Kaufangebot für einen Teilbereich der ehemaligen Kasernenfläche abgegeben (dieses Angebot wurde von zwei Mitgliedern der FWG-Fraktion eingesehen). Wegen des bestehenden Interessenkonflikts und wegen drohender Befangenheit durfte er nicht an den Abstimmungen teilnehmen. Vor der Debatte hätte er dies unaufgefordert dem Stadtverordnetenvorsteher anzeigen und den Saal verlassen müssen.
Das Verfahren vor und während der letzten Stadtverordnetenversammlung hat nach Auffassung der FWG mit gelebter Demokratie und Fairness wenig zu tun.
Der Gipfel der Unverschämtheit sind jedoch die Aussagen von Herrn Kroeschell. In einem Kommentar suggeriert er, dass die Beschlüsse demokratisch zustande gekommen seien und daher diejenigen, die sie in Frage stellen, undemokratisch handeln würden.
Kann ein Bürgerbegehren undemokratisch sein?
Diese Frage beantwortet sich von selbst.
Das Bürgerbegehren ist das Mittel, das demokratische Gesetze dem Bürger einräumen, um von der Politik gefasste Beschlüsse in Frage zu stellen. Es ist ein demokratisches Grundrecht der Bürgerschaft.
Ein Missbrauch ist ausgeschlossen, weil das Bürgerbegehren an strenge gesetzlich normierte Voraussetzungen gebunden ist.
„Eine kleine Gruppe“ von Bürgern reicht also gewiss nicht aus, um die Umsetzung von Beschlüssen zu unterbinden.
Sollten sich mindestens zehn Prozent der wahlberechtigten Hombergerinnen und Homberger für ein Bürgerbegehren aussprechen, so muss ein Bürgerentscheid durchgeführt werden.
Demokratische Grundrechte
Nicht diejenigen, die für ein Bürgerbegehren sind tragen Verantwortung, sondern diejenigen die nicht ausgereifte Beschlüsse unter Zeitdruck gefasst haben.
Geradezu makaber mutet daher folgende Drohung Herrn Kroeschells an:
„Jeder Bürger, der den Aufruf zu einem Bürgerbegehren unterschreibt, muss sich klar darüber sein, dass er dafür verantwortlich ist, wenn durch weitere Verzögerung des Ankaufs Schaden für Homberg entsteht.“
Nein, Herr Kroeschell: Nicht der mündige Bürger ist verantwortlich – sondern möglicherweise diejenigen Parlamentarier, die Beschlüsse fahrlässig gefasst haben. Auf eine mögliche Haftung wurde in der Stadtverordnetenversammlung hingewiesen.
Information zum Thema „Kasernenkauf“
Mit ihrer Plakataktion hat die Homberger CDU schon jetzt den Wahlkampf eröffnet.
Durch ihre klare Positionierung in einem so frühen Stadium des Bürgerbegehrens macht die CDU deutlich, dass ein Erfolg des Bürgerbehrens gleichzeitig das Ende der Amtszeit von Bürgermeister Wagner bedeuten würde.
Deshalb wird wohl mit besonders harten Bandagen gekämpft.
Die Freie Wählergemeinschaft Homberg (Efze) lässt sich nicht unter Druck setzen:
Jeder Homberger muss die Möglichkeit erhalten, sich zum Thema „Kauf des Kasernengeländes“ zu informieren. Wie er sich anschließend entscheidet muss von den politischen Parteien akzeptiert werden. An den notwendigen Information mangelt es jedoch.
Daher lädt die FWG alle interessierten Hombergerinnen und Homberger ein, im Rahmen des Nightshoppings am kommenden Freitag die FWG in ihrem „FreiRaum“ in der Untergasse (neben Modehaus Griesel) zu besuchen. Die FWG wird sich Zeit nehmen, um ihre Fragen zum „Kasernenkauf“, zum Bürgerbegehren oder auch zu anderen kommunalpolitischen Themen zu beantworten. Egal, ob Sie für den Bürgerentscheid oder dagegen sind – wir werden ihre Entscheidung akzeptieren.
Achim Jäger
Fraktionsvorsitzender
Dokumentiert: