Photovoltaik – Profit um jeden Preis?

Mehr als eine Million Euro Pachteinnahmen in zwanzig Jahren – Dollarzeichen leuchteten in den Augen von manchen Stadtverordneten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die aus SPD, CDU und FDP bestehende Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung am 4. April 2012 für den Erwerb von einer ca. 18,4 ha großen Fläche auf dem ehemaligen Standortübungsplatz und die anschließende Verpachtung an den Investor bgreen project (Gerken) ausgesprochen hat.

Dabei hätte diese politische Entscheidung gut vorbereitet sein können. Es gab mehrere interfraktionelle Gespräche, es gab fünf Sitzungen der eingerichteten Arbeitsgruppe Konversion, diverse Sitzungen des Bau-, Planungs-, Umwelt- und Energieausschusses und zwei Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses.

In Erwartung eines satten Geldregens wurden Einwendungen außer Acht gelassen. Anregungen verhallten ungehört.

Die Mehrheit war dafür, dass die Fläche an den meistbietenden Investor, der ebenso wie sein Projektentwickler nicht in der Region ansässig ist, verpachtet wird.

Damit gilt, dass fast die gesamte Wertschöpfung der Maßnahme nicht in der Region verbleibt.

Die Zeche wird von den Homberger Bürgern in Form von steigenden Strompreisen gezahlt werden.

Einer solchen Verfahrensweise stimmten die Fraktionen der FWG und von Bündnis 90 / Die Grünen nicht zu.

Wenn denn unbedingt eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage errichtet werden muss, dann nur als Bürgersolarpark.

Homberger Bürgerinnen und Bürger sollten die Chance erhalten, sich direkt oder indirekt (z.B. über eine Energiegenossenschaft) an dem Projekt zu beteiligen. Damit bliebe zumindest ein Großteil der Wertschöpfung in unserer Region. Modelle dafür gibt es!

Auch die Zeit zur Gründung einer Homberger Energiegenossenschaft würde locker ausreichen.

Für Gründung, Werbung von Genossen und das Einsammeln von Einlagen würden fast noch sechs Monate zur Verfügung stehen.

Interessenten gibt es ebenfalls! Eine entsprechende Informationsveranstaltung am 2. April in der Homberger Stadthalle, die kaum beworben wurde, wurde von 64 Interessierten besucht.

Aus Sicht der FWG darf die Entscheidung für eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage nicht allein unter dem Aspekt einer möglichst hohen Pachtpreiserzielung getroffen werden.

Die FWG Homberg hat im November 2011 einen Antrag zur Erarbeitung eines kommunalen Energiekonzepts gestellt. Der Antrag wurde vom Parlament einstimmig angenommen und der Magistrat entsprechend mit der Vorlage bis zum 30.6.2012 beauftragt. Dieser Auftrag liegt- wie viele andere- auf „der langen Bank“. Im Rahmen der politischen Beratungen in den vergangenen fünf Monaten wurde nicht erkennbar, dass daran gearbeitet wird.

Zusammenfassend festzuhalten ist, dass die FWG dem Vorhaben nur unter folgenden Bedingungen hätte zustimmen können:

  • das Vorhaben wird auf die ca. 110 m breite Fläche entlang der Bahngleise in einem Umfang von max. 12,4 ha begrenzt.
  • Der PV-Park wird als Bürgersolarpark organisiert.
  • Die Anlage wird in einer Form installiert, die die Existenzinteressen des Schäfers berücksichtigt.

Vorliegende Angebote

Nach Aussage des Bürgermeisters waren insgesamt sieben Angebote abgegeben worden. Die für den Bürgermeister wichtigen Punkte wurden in eine einseitige Tabelle eingearbeitet, die allen Stadtverordneten erst wenige Stunden vor der Sitzung übersandt wurde. Inhalt dieser Tabelle waren die zugesagten Pachten als Betrag. Weitere Informationen wie z.B. die mehrheitliche Bürgerbeteiligung wurden durch Ankreuzen kenntlich gemacht.

Eine Einsichtnahme in die Angebote war von ca. 16:45 Uhr bis 17:00 Uhr und im Rahmen der Ausschusssitzung möglich. Einsicht genommen haben während dieser Zeiten die FWG Fraktionsmitglieder Siebert, Groß und Jäger.

Bürgerbeteiligung

Das von FWG und Grünen favorisierte Angebot der Firma Kirchner Solar Group versprach zwar nicht die höchsten Pachteinnahmen, sagte aber als einziges Angebot eine 100%ige Bürgerbeteiligung zu. Für die Bürgerbeteiligung gilt bei diesem Angebot, dass die Kundenwerbung für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten nach Inbetriebnahme der Anlage nur im Stadtgebiet von Homberg (Efze) erfolgen sollte. Sollte das benötigte Kapital in dieser Zeitspanne noch nicht eingesammelt worden sein, so würde das Gebiet für bestimmte Zeiträume auf den Landkreis Schwalm-Eder, danach auf die Region Nordhessen und abschließend auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Bürgerbeteiligung kann bei diesem Modell als direkte Beteiligung und als Beteiligung für Kleinanleger (z.B. im Rahmen einer Genossenschaft) erfolgen.

Von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, dass der Betreiber nur eine mehrheitliche Bürgerbeteiligung zusagen muss. Erläuterungen wie sich der Investor bgreen project (Gerken) diese Beteiligung vorstellt und wie er sie organisieren will, wurden in der Stadtverordnetenversammlung nur sehr unzureichend gegeben. Eine GmbH & Co KG soll es wohl werden. Die Worte „Family and Friends“ wurden genannt, aber nicht weiter erläutert. Soweit ich dem mir nur kurz zur Einsichtnahme vorliegendem Angebot BeGreen (Gerken) entnehmen konnte, räumt der Investor die Bürgerbeteiligung ein. Dass er sie organisiert stand aber nicht im Angebot.

Die FWG ist gespannt, wer die beschlossene mehrheitliche Bürgerbeteiligung wie realisiert. Insbesondere bestehen unsererseits Zweifel, ob „Kleinanlegern“ überhaupt eine Beteiligungsmöglichkeit geboten wird.

Das Verfahren für die Umsetzung der beschlossenen mehrheitlichen Bürgerbeteiligung wird von der FWG aufmerksam beobachtet werden. Für die baldige Gründung einer Homberger Energiegenossenschaft werden wir uns vehement einsetzen.

Flächenverbrauch – Belange der Schäfer

In dieser Sitzung wurde über die Belange des Schäfers kaum noch geredet. Bürgermeister Wagner erklärte mir im persönlichen Gespräch, dass er überhaupt nicht wisse, was der Schäfer wolle. Schließlich habe er einen Risikopachtvertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist mit der BIMA abgeschlossen. Dieser sei nun gekündigt worden. Man wolle sich aber um Ausgleichsflächen bemühen.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD erklärte in der Stadtverordnetenversammlung, dass es nicht die Aufgabe der Homberger Politik sei, sich um die Belange des Schäfers zu kümmern. Er könne sich ja an seine Heimatgemeinde Frielendorf wenden.

Verkannt wird, dass wir froh und dankbar sein müssen, dass die Schäferei die Landschaftspflege auf dem Gelände des Standortübungsplatzes übernommen hat. Sollten die zu bewirtschafteten Flächen immer weniger werden, so wird sich der Schäfer Flächen in anderen Orten suchen müssen oder seinen Betrieb einstellen. Die Landschaftspflege wie z.B. der Rückschnitt von Büschen und Bäumen müsste dann von kommunalen Bediensteten oder Privatunternehmen durchgeführt werden. Ob de BIMA dafür Geld ausgeben würde, bezweifeln wir stark.

Das von FWG und Grünen unterstützte Konzept sieht vor, dass für die PV-Anlage 5,4 ha weniger Fläche erworben wird. Diese Fläche könnte die Schäferei weiterhin uneingeschränkt nutzen. Auf der zu bebauenden Fläche sollten soweit möglich Solarbäume oder erhöht aufgeständerte Module errichtet werden. Dadurch wäre gewährleistet, dass große Teile diese Fläche (12,4 ha) von Schafen und Ziegen beweidet werden könnten. Der Betrieb der Schäferei wäre zwar eingeschränkt, aber wohl nicht in seiner Existenz bedroht.

Die Stadtverordnetensitzung – Anstand bleibt vor der Tür

Turbulent ging es zu – die teils hitzige Debatte dauerte mehr als drei Stunden. Trotz gegensätzlicher Meinungen führten fast alle eine faire Debatte.

Lediglich die CDU fiel mal wieder aus dem Rahmen.

Völlig ohne Notwendigkeit bezeichnete Fraktionsvorsitzender Kroeschell das Internetforum „Homberger Hingucker“ als „Hinspucker“ und seine Nutzer als „Heinis“.  Bezeichnend ist, dass Kroeschell für diese beleidigenden Äußerungen vom Stadtverordnetenvorsteher nicht einmal zur Ordnung gerufen wurde.

Besondere Qualitäten offenbarte auch der CDU Stadtverordnete Fröde. Nachdem  in der Stadtverordnetensitzung die Debatte geschlossen, zur Abstimmung aufgerufen und der Änderungsantrag der FWG verlesen war, erhob er lautstark Widerspruch gegen den Antrag und begründete, warum dem Antrag nicht zuzustimmen sei. Auch diese unzulässige Beeinflussung der anschließenden Abstimmung ließ der Stadtverordnetenvorsteher zu. Außerdem ließ er auch noch zu, dass der Bürgermeister, der ja bekanntlich auch zur CDU gehört, anschließend in gleicher Weise die Abstimmung beeinflusste. Von Fröde – „vielen Dank für ihre Aufträge“ – ist man seit einigen Stadtverordnetensitzungen nichts anderes gewöhnt. Auch vom Bürgermeister kann man kein anderes Verhalten erwarten. Möglicherweise könnte er dem Investor bereits einige Versprechungen gemacht haben (aus dem Angebot bgreen project konnte man entnehmen, dass dieser Bewerber mehrere Arbeiten wie das Bodengutachten und die Vermessungen bereits durchgeführt hatte).

Passendes Schlusswort dieser Sitzung sind die Worte, die der SPD Fraktionsvorsitzende Gerlach dem Bürgermeister auf dem Stadthallenparkplatz zurief: „Wir haben’s geschafft!“

Achim Jäger
Fraktionsvorsitzender der FWG Homberg
Kontakt: jaeger-homberg@t-online.de

Ein Kommentar

  1. Sehr gut Herr Jäger, ich danke Ihnen für die klaren Worte.
    Darf Herr Fröde überhaupt bei den zur Rede stehenden Abstimmungen an der Abstimmung teilnehmen?

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