Kriterien der FWG Homberg für die Entwicklung der Homberger Altstadt:
(Aus der Arbeit der AG Stadtentwicklung zwischen Juni 2011 und August 2012, zusammengefasst von Christian Utpatel)
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Die Altstadt braucht kein Einkaufscenter – sie ist ein Einkaufszentrum
Jede Überlegung zu einer Entwicklung der Altstadt muss im Blick behalten, dass „bereits jetzt“ (seit Jahrhunderten!) viele Einzelhandelsangebote in der Altstadt vorhanden sind. Das Warenangebot hat sich von Generation zu Generation verändert und mag mal reichhaltiger, mal weniger reichhaltig sein. Wir sind aber dankbar dafür, dass es in Homberg überhaupt noch ein breit gefächertes Engagement privater Kaufleute gibt, die teilweise schon in langer Familientradition, in beachtenswertem Maße aber auch erst durch Neugründungen in jüngster Zeit, ihr Geschäft betreiben. Ziel jeder weiteren Entwicklung muss es sein, diese kleinteilige und auf privatem Risiko beruhende Struktur zu erhalten und zu stärken.
Um die Bedeutung des vorhandenen Einzelhandelsangebots in der Homberger Altstadt zu unterstreichen erscheint uns die Entwicklung einer Dachmarke „Einkaufserlebnis Homberger Altstadt“ (Arbeitstitel) notwendig. Zu einer solchen Dachmarke gehört auch die Vereinbarung verlässlicher (Kern-) Öffnungszeiten sowie ein gemeinsamer Werbeauftritt, zu dem auch Anzeigenschaltungen, Broschüren und Wegweiser gehören.
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Aufenthaltswert steigern, Verweildauer erhöhen, Einkäufe animieren
Mit Freude stellen wir fest, dass die Erweiterung und Neueröffnung verschiedener gastronomischer Betriebe zu einer offensichtlichen Erhöhung der Verweildauer in der Altstadt geführt hat. Dieser Ansatz muss ausgebaut werden. Wenn Menschen sich beim Altstadtbummel wohl fühlen, hier und da eine Rast einlegen können, steigert dies auch die Attraktivität der vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte. Zusätzliche Angebote, die etwa vom Stadtmarketing initiiert werden, müssen diese Entwicklung unterstützen und nicht behindern. Zum Beispiel kann es nicht als Erfolg gewertet werden, wenn die Marktplatzkonzerte zwar viele Menschen anlocken, diese dann aber auf ihrer Bank sitzen bleiben statt, von der Musik begleitet, in den umliegenden Geschäften einzukaufen. Auch Marktplatzevents wie Herbstmarkt oder Clobesmarkt müssen in ihren Aufbauten auf die umliegenden Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomieangebote ausgerichtet sein und dürfen diese nicht verdecken.
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Einkaufsbummel statt Einkaufswagen
Die beschriebene Struktur kleinteiliger Angebote unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteure gilt es auszubauen. Jede Form großflächiger Angebote, wie sie in den von Bürgermeister Martin Wagner vorgelegten Planungen zum „Marktplatz Ost“ und von der Stadtverordnetenversammlung mit einer Mehrheit aus CDU, SPD und FDP kurz vor der letzten Kommunalwahl beschlossen wurde, ist kontraproduktiv und schadet der Altstadt. Der Einkauf des täglichen Bedarfs findet heutzutage in großen Supermärkten statt, die zumeist am Stadtrand oder an Verkehrsknotenpunkten angesiedelt sind. Jeder Gedanke, einen solchen „Food- und/ oder Non-Food-Markt“ mit dem damit verbundenen Anliefer- und Einkäuferverkehr in die Altstadt zu ziehen, wäre ein Desaster für die Entwicklung der Altstadt. Es kann nicht das Ziel sein, dass Einkaufende mit ihrem Auto in die Altstadt fahren, um dann in einer Tiefgarage zu verschwinden und von dort aus einen Einkaufswagen durch einen Großmarkt zu schieben. Vielmehr muss auch bei der Entwicklung des östlich gelegenen Altstadtbereiches versucht werden, die in der übrigen Altstadt vorhandene kleinteilige und breit gefächerte Einzelhandelsstruktur fortzusetzen.
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Viele Beteiligte statt „ein Investor“
Die Altstadt lebt von den vielen Menschen, die zum Teil in familiärer Tradition, zum Teil aus frischem Wagemut ihr Geschäft betreiben. Sie riskieren ihr eigenes Kapital, aus dem sie (hoffentlich) einen geschäftlichen Erfolg entwickeln. Auch wo sich ein Geschäft als nicht tragfähig erweist findet sich bald jemand anderes, der einen neuen Beginn wagt. Diese Struktur ist die beste Basis auch für die Entwicklung des östlichen Bereiches der Altstadt. Deswegen muss jede Abhängigkeit von einem einzelnen „Investor“, wie sie in den von Bürgermeister Wagner vorgelegten Konzepten vorgesehen ist, vermieden werden. Ein „Investor“, der womöglich nicht einmal eigenes Kapital einbringt sondern nur fremdes Kapital verwaltet, ist kein Heilsbringer. Sein Scheitern würde das Scheitern des gesamten Entwicklungsprojektes und damit einen großflächigen Leerstand in der Altstadt bedeuten. Wo aber viele Beteiligte sich engagieren, ist ein breiteres Angebot gesichert und können auch einzelne gescheiterte Projekte schneller durch neue Akteure ausgeglichen werden.
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Auch Dächer, nicht nur Fassaden
Die Freien Wähler Homberg sind dankbar dafür, dass der Hessische Denkmalschutz den in den Wagner’schen Konzepten vorgesehenen Abrisswahn mittlerweile verhindert hat. Die Fachwerkhäuser der Homberger Altstadt sind ein unermesslicher Schatz, den es zu bewahren gilt und der vor jeder weiteren Zerstörung zu schützen ist. Eine nachträglich an einem Einkaufscenter angebrachte Fassade im Fachwerkstil ersetzt nicht die historische Bausubstanz und erinnert an die tiefsten Abgründe einer Stadtbaupolitik der 1970er Jahre. Zum Erhalt der Fachwerkstruktur gehört insbesondere auch der Erhalt einer vielgliedrigen Dachlandschaft, zumal diese in der Homberger Situation spätestens vom Burgberg aus auch für jedermann erkennbar ist. Diese Grundbestimmung schließt nicht aus, dass auch bei der Entwicklung der östlichen Altstadt nachträgliche Garagen sowie An- und Umbauten entfernt werden können. Im Gegenteil: Eine „Entrümpelung“ im inneren Bereich des Quartiers stärkt die Fachwerkstruktur des Gesamtensembles.
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Leben und nicht nur Einkaufen
Zu einer Belebung der östlichen Altstadt gehört auch die Stärkung von Angeboten, die über das Einkaufen hinausgehen. Dazu sollten unbedingt auch attraktive und barrierefrei zugängliche Räume für die Stadtbücherei gehören. Auch die Einrichtung von Freizeitangeboten nach Ladenschluss wie Kegelbahn, Fitnesscenter und Stadtsauna ist zu prüfen. Wünschenswert wäre außerdem die Schaffung von attraktiven Wohnungen, die als Mehrgenerationenhaus gestaltet werden könnten.
Die Entwicklung der östlichen Altstadt ist eine ebenso schwierige wie verheißungsvolle Aufgabe, die das Leben in Homberg auf Generationen hinaus prägen wird. Jede Stadtplanung greift ein in die vorhandene Struktur der gesamten Altstadt. Ein Konzept für die östliche Altstadt muss daher immer integrativ gedacht werden und zu einer Stärkung der gesamten Altstadt führen. Die weitreichende Bedeutung jeder Entscheidung verbietet es daher auch, die Konzepte durch parteipolitisches Gezänk, durch juristische Tricks und voreilige, kurzfristige Abstimmungen zu beschädigen. Die Entwicklung der östlichen Altstadt wird daher zum Testfall für einen neuen politischen Stil in Homberg, für den die FWG Homberg bei der letzten Wahl angetreten ist. Die Homberger Freien Wähler unterstützen jedes Entwicklungskonzept für die östliche Altstadt, das diesen Kriterien gerecht wird.
Aus der Arbeit der AG Stadtentwicklung zwischen Juni 2011 und August 2012, zusammengefasst von Christian Utpatel